Wieso Yoga wie Espresso wirkt und dir trotzdem beim Einschlafen hilft

 
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Yogis brauchen angeblich nur drei Stunden Schlaf. Egal ob man dieser Aussage Glauben schenken möchte oder nicht, immer wieder hört man davon, wie viel Energie man durch Yoga bekommt. Gleichzeitig soll Yoga beruhigen, entspannen und bei (Ein-)Schlafproblemen helfen. Schaut man sich die versprochenen Effekte einer regelmäßigen Yoga-Praxis genauer an, kann man manche mit denen eines doppelten Espressos vergleichen, andere sollen genau das Gegenteil bewirken und dich beruhigen wie ein heißes Bad oder eine Tasse Milch mit Honig.

Kann Yoga wirklich ALLES oder ist das bloß Marketing nach dem Motto: „Yoga verleiht dir Superkräfte“? Das schauen wir uns im folgenden Artikel genauer an.

 

Unser Nervensystem

Ein wichtiger Teil unseres Nervensystems ist das sogenannte autonome Nervensystem. Es kontrolliert alle Funktionen unseres Körpers, die wir (im Normalfall) nicht bewusst steuern können, wie zum Beispiel Herzschlagfrequenz, Blutdruck, Verdauung, Hormonproduktion und noch vieles mehr.

Das autonome Nervensystem besteht wiederum aus zwei Komponenten: Dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Sehr stark vereinfach, wirkt der Sympathikus anregend wie Espresso und der Parasympathikus beruhigend wie die Tasse Milch mit Honig auf unseren Körper.

 Aus (evolutions-)biologischer Sicht, dient der Sympathikus dazu, uns in gefährlichen Situationen in Alarmbereitschaft zu versetzen. Wenn zum Beispiel ein Tiger im Dschungel vor uns steht, aktiviert der Sympathikus alle Systeme im Körper, die uns entweder für den Kampf oder die Flucht vorbereiten und sichert somit das Überleben.

Im Gegensatz dazu, ist der Parasympathikus für unseren Ruhemodus verantwortlich. Wenn wir es uns Zuhause auf der Couch gemütlich machen, aktiviert der Parasympathikus unsere Verdauung, lässt unsere Herzfrequenz langsamer werden und senkt den Blutdruck.

 

Das System in Balance

Heutzutage stehen wir selten einem Tiger im Dschungel gegenüber, aber trotzdem ist der Sympathikus kein unnötiges Überbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit. Auch heute brauchen wir ein gesundes Maß an sympathischer Aktivität. Ohne diese Aktivität, hätten wir kaum die Motivation morgens aus dem Bett zu steigen, einen Marathon zu laufen oder Häuser zu bauen.

Um gesund zu sein, müssen Sympathikus und Parasympathikus in Balance sein und ausgewogen im Körper wirken. Ist der Sympathikus rund um die Uhr aktiv, wenn wir zum Beispiel chronisch unter Stress stehen, muss unser System die ganze Zeit auf Hochtouren arbeiten. Bleiben Ruhephasen und Regeneration aus, verschiebt sich das Gleichgewicht und unser System gerät aus der Balance. Unter anderem können Herzkreislauf-Erkrankungen, Depressionen und ständige Erkältungen durch ein geschwächtes Immunsystem die Folgen sein.

Dass es zwei gegensätzlich wirkende Kräfte im Körper gibt, wurde übrigens schon früh erkannt. Obwohl damals die wirkenden biologischen Systeme noch nicht beschrieben werden konnten, entstand das Bild von Yin und Yang in der östlichen Philosophie schon vor vielen hunderten Jahren. In der traditionellen chinesischen Medizin wird ein Ungleichgewicht von Yin und Yang als Krankheitsursache angesehen.

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Sympathikus und Parasympathikus beim Yoga

Wie lässt sich das Wissen über das autonome Nervensystem im Yoga anwenden?

Bei der Yoga-Praxis werden sowohl Sympathikus, wie auch Parasympathikus aktiviert. Körperliche Anstrengung oder Betätigung führt zu einer Aktivierung des Sympathikus. Das gilt für alle kraftvollen Yogapositionen, also fast alle Positionen, die wir im Stehen durchführen, aber auch solche die unsere Körpermitte (Core-Muskulatur) stärken und die meisten Rückbeugen. Im Gegensatz dazu aktiviert sich unser Parasympathikus, wenn wir in Savasana (der Yoga-Endentspannung) liegen, bei der bewussten Kontrolle der Atmung (Pranayama) und durch lang gehaltene Positionen im Sitzen oder Liegen, wie sie im Yin-Yoga oder am Ende einer Yoga-Klasse praktiziert werden.

 

Das erklärt auch, warum Yoga gleichzeitig anregend und beruhigend wirken kann. Ohne über die genaue Beschaffenheit unseres Nervensystems Bescheid zu wissen, haben Yogis wahrscheinlich durch (Selbst-)Beobachtung einen sinnvollen Aufbau der Yoga-Praxis gefunden. Die aktivierenden Positionen werden eher am Anfang bzw. in der Mitte der Klasse durchgeführt, während am Schluss der Körper in Vorbereitung auf Savasana mit entspannenden Asanas runtergefahren wird. Zusätzlich können wir am Morgen eine aktive, bewegte Praxis wählen und am Abend ruhige, restorative Positionen und Atemübungen praktizieren.

 

Wir wissen also, dass die Effekte von Yoga auf einer biologischen Grundlage basieren und wirklich anregend wie Espresso und gleichzeitig beruhigend wie ein heißes Bad oder eine Tasse Milch mit Honig wirken können. Vielleicht sollten wir als nächstes klären, ob Yoga wirklich Superkräfte verleiht. Die meisten WissenschaftlerInnen halten sich hier allerdings noch bedeckt...

 
Mia Ronovsky3 Comments